Saturday, June 04, 2011

Hegel on partisanship in history writing


Die Forderung scheint plausibel, daß ein Geschichtsschreiber der Philosophie kein System haben, nichts von dem Seinigen hinzutun noch mit seinem Urteile darüber herfallen soll. Die Geschichte der Philosophie soll eben diese Unparteilichkeit herbeiführen, und es scheint insofern geraten, nur Auszüge aus den Philosophen zu geben. Wer von der Sache nichts versteht, kein System, bloß historische Kenntnisse hat, wird sich freilich unparteiisch verhalten. Es ist aber zu unterscheiden zwischen politischer Geschichte und Geschichte der Philosophie. Wenn man sich nämlich bei jener auch nicht darauf beschränken darf, nur chronikenmäßig die Begebenheiten darzustellen, so kann man sie doch ganz objektiv halten wie die Homerische Epopöe; so Herodot und Thukydides. Sie lassen als freie Menschen die objektive Welt frei für sich gewähren, haben vom Ihrigen nichts hinzugetan, noch die Handlungen, die sie darstellten, vor ihren Richterstuhl gezogen und beurteilt.

Doch auch in die politische Geschichte legt sich sogleich ein Zweck hinein. So ist bei Livius die römische Herrschaft die Hauptsache. Wir sehen in seiner Geschichte Rom steigen, sich verteidigen, seine Herrschaft ausüben; der allgemeine Zweck ist Rom, die Erweiterung seiner Herrschaft, die Ausbildung seiner Verfassung usw. So macht sich von selbst in der Geschichte der Philosophie die sich entwickelnde Vernunft zum Zweck, es ist kein fremder Zweck, den wir hineintragen; es ist die Sache selbst, die hier als das Allgemeine zugrunde liegt, so als Zweck erscheint, und womit sich von selbst die einzelnen Ausbildungen und Gestalten vergleichen. Wenn daher auch die Geschichte der Philosophie Taten der Geschichte zu erzählen hat, so ist doch die erste Frage, was denn eine Tat der Philosophie, ob etwas philosophisch ist oder nicht. In der äußeren Geschichte ist alles Tat - freilich gibt es Wichtiges und Unwichtiges; die Tat ist aber der Vorstellung unmittelbar hingestellt; nicht so in der Philosophie. Deswegen kann die Geschichte der Philosophie durchaus nicht ohne Urteil des Geschichtsschreibers abgehandelt werden.

[The demand seems plausible that a writer of the history of philosophy should have no system, should inject nothing of his own nor infest it with any judgments. The history of philosophy should induce just this nonpartisanship, and it appears therefore advisable to give only excerpts from philosophy. He who understands nothing about the subject, has no system but simple historical knowledge, will obviously take a nonpartisan stance. But we must differentiate between political history and the history of philosophy. If one cannot limit oneself in the former to simply depicting the events chronologically, at the same time one can approach it completely objectively like the Homerian Epos; like Herodotus and Thucydides. As free men, they leave the objective world free to prove itself, have injected nothing of their own and have not dragged the acts they describe before their court bench and judged them.

Nevertheless, a purpose insinuates itself immediately even into political history. So with Livius, Roman rule was the most important thing. In his stories, we see Rome rise, defend itself, exercise its rule; the general point is Rome, the spread of its dominion, the formation of its constitution, etc. So in the history of philosophy, the developing Reason makes itself the aim. It is not an extraneous aim that we bring into it. It the thing itself, which here lies at the basis of the universal, and so appears as the purpose, and which the individual developments and forms compare themselves. Hence if there is also the story of philosophical deeds to tell, so certainly the first question is what an act of philosophy is then, whether it is something philosophical or not. In external history, everything is a deed. Clearly there are important and unimportant ones. But the deed is directly postulated in the concept, not so in philosophy. That is why the history of philosophy cannot be dealt with without the judgment of the historian.]
- From Hegel, Einleitung (Heidelberger Niederschrift) zur Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, 3. Abhandlungsweise. English translation is mine.

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